Das Gras wachsen hören
Kleinste Anzeichen wahrnehmen und versuchen, daraus etwas abzuleiten; etwas erahnen; (über)ängstlich sein; aus vermeintlichen oder tatsächlichen Veränderungen Schlüsse ziehen.
Erläuterungen
Die Redewendung »das Gras wachsen hören« geht zurück auf die »Edda«, eine Sammlung skandinavischer Götter- und Heldensagen aus dem 13. Jahrhundert. Von Heimdall, dem Wächter der Götter, heißt es dort, er könne »das Gras in der Erde und die Wolle aus den Schafen« wachsen hören.
Aus der Grundform haben sich weitere Wendungen entwickelt. Man kann zum Beispiel »die Flöhe husten hören« oder »die Mücken an der Wand niesen hören«. Immer geht es dabei um eine geschärfte Wahrnehmung. Es handelt sich also um besonders sensible Menschen – oder auch um ungewöhnlich vorsichtige und ängstliche Leute. Ihnen entgeht keine noch so kleine Veränderung oder Abweisung vom Gewohnten. Sie sind äußerst aufmerksam und achten auf die leisesten Anzeichen. Dann versuchen sie, daraus ihre Schlüsse zu ziehen.
Quellen und weiterführende Literatur:
- Dudenredaktion (Hrsg.): Duden – Redewendungen, Berlin, Bibliograph. Instit. GmbH 2020.
- Lutz Röhrich, Wolfgang Mieder: Sprichwort. Stuttgart 1977.
Beispiele und Zitate
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Das ist sicher nur ein Gerücht; Herr Heise hört wieder mal das Gras wachsen.
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Dieser Genscher! Lange schon aus dem aktiven Geschäft, aber noch immer hört er das Gras wachsen.
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Quincy Jones, einer, der das Gras wachsen hört, hat unlängst die Renaissance des »Songs« vorausgesagt.
Die Zeit, 13.03.2008, Nr. 12 -
Bei der Nachrichtenagentur Reuters scheint man das Gras wachsen zu hören.
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»Der Trainer muss das Gras wachsen hören und traurige Spieler wieder aufbauen«, sagt Hartmut Nickel, Assistenztrainer der Berliner Eisbären.
Berliner Zeitung, 03.06.2002 -
Helmut Kohls unumschränkte Herrschaft über die CDU beruhte unter anderem darauf, dass er in seiner Partei gleichsam das Gras wachsen hörte und Intrigen schon im Ansatz erstickte.
Berliner Zeitung, 10.12.2001 -
Leute auf dem Börsenparkett, die das Gras wachsen hören, wittern eine neue Lufthansa-Affaire.
Die Zeit, 21.02.1986, Nr. 09 -
Und ich wundre mich nur, daß gerade Sie, der Sie doch sonst das Gras wachsen hören und allen Gesellschaftsklatsch kennen wie kaum ein zweiter, daß gerade Sie von dem allen kein Sterbenswörtchen vernommen haben sollen.
Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin, 1899. -
Er bedarf weniger Schlaf als ein Vogel und sieht sowohl bei Nacht als bei Tag hundert Rasten weit; er hört auch das Gras in der Erde und die Wolle aus den Schafen wachsen, mithin auch Alles was einen stärkern Laut giebt.
Karl Simrock: Die Edda, 1851.
Übersetzung in andere Sprachen
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